"Lernen"
Themenschwerpunkte
- Begriffbestimmung Lernen
- Konkurrierende Vorstellungen zu Lernprozessen
- Schlussfolgerungen/Zusammenfassung
1. Begriffbestimmung Lernen
- Geschichtlicher Entstehungszusammenhang:
In der Geschichte des abendl. Denkens prägten sich relativ früh zwei (konkurrierende) Auffassungen von Lernen aus.
Für Platon bedeutet Lernen Wiedererinnerung, und zwar der Ideen, die die Seele immer schon in sich trägt und die anlässlich konkreter Sinneseindrücke reaktiviert werden. Dieser Begriff des Lernens hat seine Wirkungsgeschichte über Augustinus, Leibniz, den Dt. Idealismus bis zur Theorie vom Lernen als Einsicht.
Für Aristoteles ist die Seele eine tabula rasa (eine leere Tafel), auf die Sinneseindrücke eingetragen werden; Lernen bedeutet so gesehen Aufnahme und Speicherung von Sinnesdaten. Diese Auffassung lässt sich über Locke, Hume, den englischen Empirismus, den Behaviorismus bis zu gegenwärtigen Konditionierungstheorien verfolgen.
Meint Lernen im ersten Fall vorwiegend die theoretisch kontemplative Bemühung um Selbsterkenntnis, so geht es im zweiten Fall vor allem um die technisch-praktische Verarbeitung und Nutzung von Information. - Psychologische Betrachtung:
Psychologisch betrachtet ist Lernen in einem sehr weiten Sinn ein Anpassungsprozess an eine sich ständig verändernde Umwelt. So gesehen können auch Tiere lernen. Das menschliche Lernen unterscheidet sich aber vom tierischen, sofern Probleme auf der Symbolebene gelöst werden können. Dabei zeigt sich in den vielfältigen Forschungen zum menschlichen Lernen schon sehr frühzeitig, dass Lernen als Prozess von multiplen Bedingungsfaktoren abhängig ist. Ein wesentlicher Faktor ist die Motivation, die den Lernprozess in Gang setzt und steuert, ein anderer der Entwicklungsstand des Lernenden, ein weiterer die (Struktur) der Lernsituation.
2. Konkurrierende Vorstellungen zu Lernprozessen
- Prinzip der Lernens als Verhaltensänderung
- Prinzip des Lernens als innere Organisation
3. Schlussfolgerungen/Zusammenfassung
- Lernen ist als ein zentraler Begriff in der Pädagogik anzusehen. Häufig wird er gleichbedeutend mit dem Erziehungsbegriff gebraucht und ist - im Unterschied zu diesem - gewiss geeignet, jene Prozesse zu erklären, aufgrund derer einerseits die Eingliederung der Menschen in die gesellschaftlich-kulturellen Gegebenheiten und andererseits die Herausbildung ihrer Individualität geschieht.
- In dem hier entwickeltem Kontext ist Lernen als ein "Binnenprozess" anzusehen, der sich im Individuum abspielt. Seine phänomenale Gestalt erhält er, indem er nach außen tritt, sich also (..) in Kenntnissen und Fertigkeiten zeigt. Lernen in diesem Verständnis hat daher immer zwei Seiten: eine innere und eine äußere, die in einem interdependenten Zusammenhang stehen.
- Von dieser Auffassung her gesehen befinden sich Menschen - solange sie leben - immer im Lernen; dies besagt ja auch der Sozialisationsprozess. Allerdings muss hier schon darauf hingewiesen werden, dass Lernprozesse hinsichtlich ihres Grades an Bewusstheit und Rationalität oder in bezug auf die gesellschaftliche Wertschätzung und Rangordnung der Inhalte und Ziele unterschieden werden können und müssen.
- Mit der Bestimmung der Innen-Außen-Interdependenz kann auch festgelegt werden, dass als Lernen nicht jene Prozesse oder Vorgänge, Äußerungen oder Verhaltensweisen bezeichnet werden können, die auf Wachstums- und Reifungsprozesse, auf angeborene Antworttendenzen oder zeitweilige Zustände des menschlichen Organismus wie z.B. Müdigkeit, Drogeneinfluss u.ä. zurückzuführen sind.
- Die Skizzierung des Lernbegriffs hat auch gezeigt, dass Lernen einerseits behavioristisch, als von äußeren Gegebenheiten hervorgerufener und steuerbarer Prozess aufgefasst werden kann.
Andererseits ist eine hermeneutische Position zu erkennen - der zufolge Lernen als ein intrapersonaler Strukturierungs- und Organisationsprozess verstanden wird, der - da er ein spezifisch humaner Prozess ist - sich auch interpersonal, d.h. sozial und kulturell ausdrückt, vice versa von diesen Prozessen beeinflusst wird. Der Mensch wird als Konstrukteur der Wirklichkeit angesehen, der sich als Sachen- und Sinnsucher in Geschichte, Gegenwart und Zukunft - und damit auch seine Welt bzw. seine Beziehung zu ihr - zum Ausdruck bringt. - Die vorgetragenen beiden Grundunterscheidungen des Lernens ruhen auf anthropologischen, gesellschaftspolitischen und philosophischen Interessen und Grundpositionen. Sie bilden die beiden Eckpositionen auf einer breiten Skala, auf der eine Reihe unterschiedlicher Modellvorstellungen vom Lernen entwickelt worden ist.